Go Russia!

Fast eine Woche hatte ich nun (großteils alleine) in Kiew verbracht, um mein Knie auszukurieren. Nachdem wir am 30. April Ollis Geburstag gebührend gefeiert hatten, starteten wir am 01. Mai mit gemischten Gefühlen wieder gemeinsam durch. Zum einen war ich sehr froh, endlich wieder auf der Straße zu sein, zum anderen war ich auch zunächst noch ängstlich, ob die Pause zur regeneration auch wirklich ausreichend war. Dementsprechend gingen wir es am ersten Tag auch noch etwas gemütlicher an. Schon am frühen Nachmittag beschlossen wir in einen kleinen Feldweg abzubiegen um einen Schlafplatz zu suchen. Wir hatten großes Glück und verbrachten die Nacht an einem kleinen, idyllischen See, an dem uns Frösche mit ihrem Konzert in den Schlaf quakten.

Die kommenden Tage fuhren wir entlang einer kleinen Landstraße die in leichtem auf und ab primär durch bewirtschaftete Felder und hin und wieder kleinere Ortschaften führte. Die Menschen unterwegs wurden zunehmend neugieriger und so wurden wir immer wieder angesprochen woher wir kommen und wohin wir wollen, gefolgt von ungläubigem Staunen. Neben Land und Leuten erfreute uns die Ukraine außerdem mit hochsommerlichen Temperaturen von meist um die 30 Grad und Sonnenschein. Dementsprechend änderten wir nun auch langsam unseren Tagesrhytmus, um die kühlen Stunden am Morgen und Abend zu nutzen. In der Mittagszeit machten wir meist eine längere Pause und entdeckten hier die ukrainischen Pelmeni für uns. Das Pendant zu den polnischen Pierogi gab es hier selbst im kleinsten Dorf im Supermarkt lose in der Tiefkühltruhe. Kurz in kochendes Wasser geworfen und fertig war das pragmatische aber sehr leckere Mittagessen.

Nach fünf weiteren Tagen in der Ukraine erreichten wir einen weiteren Meilenstein unserer Tour: Russland! Auch wenn die Grenze hier doch noch etwas eindrucksvoller beziehungsweise dank Schützengräben und Nato-Draht einschüchternder war, so gab es auch hier keinerlei Probleme. Die Beamten waren durchweg freundlich und vor allem neugierig. So hatten wir nach knapp 1,5 Stunden auch schon unseren Einreisestempel und wurden mit dem Ruf „Go Russia!“ eines Grenzbeamten auf die russischen Straßen losgelassen. Bereits auf den ersten Metern machte sich ein für uns überaus bedeutender Unterschied zwischen den beiden Ländern bemerkbar. Während die Straßen in der Ukraine uns oft das Leben schwer machten – neben Ollis Strapazen auf Matsch- und Schotterpisten, durften wir hier auch noch die gängigen Straßenmodelle „Schlaglochpiste“ und „Flickenteppich“ kennenlernen – erwartete uns in Russland ein Traum von Asphalt. Mal sehen, ob es bei diesem ersten Eindruck bleibt.
Auch an unserem zweiten Tag in Russland standen wir aufgrund der Temperaturen früh auf. Nachdem die Räder gepackt und wir fertig zum Aufbruch waren, mussten wir jedoch feststellen, dass wir – besser gesagt Olli – unseren ersten platten Reifen hatten. Also alles wieder runter vom Rad und Reifen flicken. Da dies nicht unsere erste Radtour ist, sind wir bei diesem Thema recht gelassen und haben natürlich auch schon eine gewisse Routine. Dementsprechend standen wir nach etwa einer halben Stunde auch schon wieder in den Startlöchern. Doch kaum waren wir die ersten Kilometer gefahren, war der Reifen schon wieder platt. Also wieder ab auf den Seitenstreifen und das ganze Prozedere noch einmal von vorne – diesmal mit ein bisschen weniger Gelassenheit. Aber gut: Neue Runde – neues Glück. Mit etwas Verspätung brachen wir also zum dritten mal auf. Wenn man gerade einen Platten hatte, dann ist man meist die ersten Kilometer noch recht skeptisch und beobachtet regelmäßig den Druck im Reifen. In unserem Fall war das aber gar nicht nötig, denn es war auch so relativ schnell klar: Ein Hattrick! Die schwindende Gelassenheit brauche ich an dieser Stelle wohl nicht weiter zu erwähnen. 😉

Als wäre unsere morgendliche Pannen-Odyssee aber noch nicht genug gewesen, sollte dieser Tag noch einige weitere Herausforderungen mit sich bringen. Die erste Tankstelle, die uns laut unserem Plan mit Essen und Wasser versorgen sollte, nahm nur Bargeld. Da die Infrastruktur bis jetzt aber prinzipiell eher dürftig war, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nur mit unserer Kreditkarte dienen.
Leicht geschockt, hungrig und mit etwa 300ml Wasserreseve pro Person zogen wir also weiter. Ein Blick auf die Straßenkarte zeigte uns, dass die nächste Tankstelle weitere 40 Kilometer entfernt liegt. Die nächste Stadt 80 Kilometer. Wie schnell sich die Prioritäten im Leben doch ändern können. Bei direkter Mittagshitze (die kühlen Morgenstunden hatten wir ja mit Reifen flicken verbracht) strampelten wir – auch hier in „leichtem auf und ab“- nun also vor uns hin Richtung Tankstelle. Unser kleiner Wasservorrat war unser wertvollstes Gut und durfte nur in Kleinstmengen verbraucht werden. Nur wenige Kilometer vor dem Ziel erwischte uns außerdem ein Gewitter, vor dem wir uns bereits etwas panisch, dehydriert und erschöpft in Sicherheit bringen mussten.
Und dann, nach drei gefühlt unendlichen Stunden sahen wir sie endlich – die Tankstelle (und sie akzeptierte Kartenzahlung). Für uns bestimmt einer der glücklichsten Momente auf dieser Reise. Wir kamen uns vor wie im Schlaraffenland und deckten uns mit Hot-Dogs, Gummibärchen, Waffeln, Kaffee, Saft und natürlich unmengen an Wasser für die nächsten Kilometer ein. Ab jetzt muss wohl auch unsere Vorratsplanung ein bisschen optimiert werden.

4 Gedanken zu „Go Russia!

  1. Servus,
    alles Gute nachträglich Olli…..Glückwunsch das die Einreise so gut geklappt hat.
    Hoffe kommt weiterhin gut durch und weitere Blessuren blieben aus
    MfG

  2. Griast’euch,
    whau… ihr seit echt verrückt, aber nett verrückt.
    Und wie ist es nun so? So wie Ihr es euch vorgestellt habt, oder noch schöner?
    Sicherlich nerven Platten, schlechte Wege und dergleichen – aber nicht verzweifeln – davon kommen noch viel mehr 😉
    Grüße aus MUC.

    1. Servus,
      das mit dem “verrückt” ist aber nix neues, oder?
      Es ist so schön und anstrengend wie wir es uns vorgestellt haben. Mit Wind ist es deutlich anstrengender! Ich bin sicher dass Kasachstan da aber nochmal eine Schippe drauf legen kann…
      VG aus Saratov
      Olli

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