Nachdem unsere „Zwangspause“ in Shangri-La vorbei war, konnten wir uns gut erholt und mit frisch verlängerten Visa wieder auf den Weg in Richtung Bangkok machen. Nach einer Woche Radl-Abstinenz fühlten sich die ersten paar Kilometer auf unseren Rädern etwas seltsam und wackelig an, aber das legte sich schnell wieder. Am ersten Tag fuhren bis zu einer „Stadt“, die sich direkt neben der weltberühmten Tiger Leaping Gorge (Tiger-Sprung-Schlucht) befindet. Das hatten wir zwar so nicht geplant, aber da wir schon mal da waren, wollten wir uns diese Attraktion nicht entgehen lassen. Die Schlucht mit ihren tosenden Wassermassen war zwar wirklich eindrucksvoll, die ebenfalls anwesenden Massen an mit Selfie-Sticks bewaffneten chinesischen Touristen hingegen waren etwas anstrengend. Schließlich hatten wir die Monate zuvor in sehr dünn besiedelten Regionen verbracht.
Dass die Einsamkeit der letzten Monate nun vorbei war zeigte sich auch bei der abendlichen Zeltplatzsuche. Überall waren entweder bewirtschaftete Felder oder Häuser. Dementsprechend war es einfach nicht mehr möglich, unbemerkt zu Zelten und somit schliefen wir nun nur noch in Hotels. Da diese hier ziemlich günstig waren (5 bis 10 Euro pro Nacht), war das allerdings kein Problem.
Als wir wenige Tage später in Dali das goldene M einer McDonald’s-Filiale erblickten, wurde uns klar, dass uns die „Zivilisation“ endgültig wieder hatte. Schneller als wir „Big Mac“ sagen konnten, hatten wir diese neu gewonnene Zivilisation allerdings auch schon wieder verlassen – nach einem Frühstück mit American Pancakes und Kaffee! Unser weiterer Weg führte uns immer tiefer in den Dschungel. Umgeben von dichtem Urwald, Bananen- und Tabakplantagen, farbenfrohen Schmetterlingen und Raupen sowie einer unverkennbare Geräuschkulisse radelten wir in Richtung Pu’er.
Die hohen Temperaturen, die extreme Luftfeuchtigkeit und die häufigen Regenschauer machten uns erstaunlich wenig aus – die letzten Monate hatten uns offenbar abgehärtet! So kamen wir gut voran, zumindest so lange, bis wir uns dafür entschieden hatten, die Hauptstraße nach Pu’Er zu verlassen und auf einer kleinen Nebenstraße weiter zu fahren. Diese war zwar kürzer, etwas flacher und sehr idyllisch, aber dafür nicht im besten Zustand. Ganz im Gegenteil, sie bestand großteils aus Geröll und Schlamm. Außerdem mussten wir häufig an verschütteten Streckenabschnitten warten, bis diese wieder freigebaggert waren. Dies machte nicht nur uns zu schaffen, sondern auch den Besitzern der kleinen Hotels auf dem Weg. Auch wenn wir oft notdürftig versuchten uns und unsere Räder vorab vom Schlamm zu befreien, konnte man in der Regel unserer Spur bis ins Zimmer folgen.
Unsere Erleichterung war groß, als wir diese Strapazen hinter uns gelassen und endlich wieder Asphalt unter den Rädern hatten. So rollten wir die nächsten Tage in entspanntem Auf und Ab durch idyllische Teeplantagen, bis wir die Stadt Pu’Er erreichten. Nach dieser ist auch der weltberühmte Pu’Er Tee benannt (oder umgekehrt). Pu’Er war unsere letzte große Station in China. Wir nutzten die Zeit hier, um Andenken zu kaufen, Hot Pot zu essen und uns auf den Grenzübertritt nach Laos vorzubereiten.
Nur wenige Tage bzw. Kilometer später standen wir auch schon an der Grenze, bereit für die Ausreise aus China. Einerseits freuten wir uns auf eine neue Umgebung, andererseits waren wir auch ein bisschen wehmütig. Schließlich hatten wir uns mittlerweile gut an China und seine Eigenheiten gewöhnt. Dank einiger Worte chinesisch kamen wir problemlos zurecht und mit Stäbchen zu essen war auch keine Herausforderung mehr. In einem neuen Land mussten wir nun wieder „von Null anfangen“.
Die Ausreise selbst verlief relativ problemlos. Obwohl Ollis neue (prächtige und wunderschöne) Gesichtsbehaarung den Abgleich biometrischer Daten etwas erschwerte, durften wir China nach nun zweieinhalb Monaten verlassen. Auch die Einreise nach Laos ging schnell und reibungslos über die Bühne, sodass wir uns wenig später auf den Straßen von Land Nr. 10 unserer Reise wiederfanden.
In Laos fühlten wir uns von Anfang an pudelwohl. Die Leute lächelten und grüßten uns freundlich und waren weniger aufdringlich als die Chinesen. Auch die Kommunikation war deutlich einfacher, da die Laoten selbst in abgelegenen Regionen meist ein wenig Englisch sprechen konnten. Positiv für uns als hungrige Radreisende waren außerdem die vielen kleinen Stände am Straßenrand, die frisches Obst und andere Leckereien verkauften.
Trotz aller positiven Seiten war das Radfahren in Laos dennoch nicht immer einfach. Ganz im Gegenteil, ein weiteres Mal mussten wir extrem viele Höhenmeter überwinden. Dabei raubten uns Steigungen von bis zu 20% den Atem (und letzten Nerv). Von Serpentinen hatte man hierzulande offenbar noch nichts gehört. Obwohl wir die letzten Monate viele hohe Pässe überquert hatten, stellten wir unseren Höhenmeter-Rekord in Laos auf.
Erholung fanden wir in der Backpacker-Hochburg Luang Prabang. Umgeben von Beer-Lao Tanktop und Ballonhosen tragenden Touristen genossen wir Annehmlichkeiten wie z.B. Laundry Service, Kaffee und Coconut-Pancakes.
Nach einem weiteren kurzen Zwischenstopp in der Hauptstadt Vientiane war es für uns an der Zeit, den Mekong über die laotisch-thailändische Freundschaftsbrücke zu überqueren und somit in das letzte Land unserer Tour einzureisen.
Wir hatten uns entschieden, Bangkok auf direktem Weg anzusteuern und der Hauptstraße Richtung Süden zu folgen. Diese Route hatte zwar landschaftlich eher wenig zu bieten, war dafür aber flach, gut asphaltiert und ließ uns zügig vorankommen.
Dementsprechend war er bereits nach nur fünf eher unspektakulären Tagen in Thailand da – der letzte Tag unserer Reise. Dieser hingegen sollte nochmal richtig aufregend werden, denn die Einfahrt per Fahrrad in eine Metropole wie Bangkok ist ein Kampf ums überleben. Als wir uns hochkonzentriert durch den dichten Verkehr dieser Stadt kämpften hatten wir eigentlich keine Zeit darüber nachzudenken, dass das Ende der Reise unmittelbar bevorstand. So standen wir plötzlich an unserem Ziel: dem Königspalast. Es war geschafft! Nachdem wir 189 Tage zuvor in München auf unsere Fahrräder gestiegen waren, standen wir nun nach 13.746 Kilometern und 867 Stunden im Sattel mitten in Bangkok. Was für ein unglaubliches Abenteuer!